Interview mit Branka Rezan

Interview mit Branka Rezan

Sehr spontan durfte ich Ende November 2022 ein Interview mit der Mindset-Trainierin, Mamma und Lehrerin Branka Rezan durchführen. Da die Transkription sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat, erscheint es erst jetzt. Gut Ding will Weile haben – ich hoffe, dass du Neues erfährst und umsetzen kannst!

Liebe Branka Reza, ich freue mich sehr, dass du hier bist und für ein spontanes Interview eingewilligt hast! Das ist mega toll – herzlich willkommen!

Danke für die Einladung! Ich freue mich hier zu sein!

Kannst du für die Leute, die dich vielleicht noch nicht kennen, ein paar Worte über dich erzählen?

Ja, sehr gerne! Ich bin Lehrerin auf der Primarstufe in einem Schulhaus in Zürich. Zurzeit unterrichte ich eine zweite Klasse. Ich bin auch selbstständig unterwegs als Familien und Lerncoach. Auch als Schulcoach habe ich ein Coaching Programm entwickelt mit verschiedenen Workshops, die ich in Schulen präsentiere und dort auch Trainings anbiete für alle Themen, die sich dem Lerncoaching widmen. Und was so toll ist: Ich merke, wie gefragt auch diese Inhalte sind, weil viele Schulen wirklich wegkommen möchten von dieser Lehrer-Rolle und mehr Lernbegleiter werden möchten. Ich bin auch Coach, da bin ich zu Hause und auch mit Kindern, Jugendlichen und Eltern unterwegs und biete verschiedene Kurse und auch individuelle Coachings an.

Das klingt sehr vielfältig. Welches Arbeitsfeld ist dir am liebsten?

Das hat mich noch niemand gefragt! Ich glaube, ich möchte keins aufgeben, ich bin so gerne in der Schule. Ich arbeite 40 Prozent in der Schule. Das sind eineinhalb Tage. Ich habe eine wunderbare Stellenpartnerin, ich habe eine tolle Klasse. Ja, ich würde nicht ohne diese Klasse und ohne das Unterrichten leben wollen. Das Coaching aber bietet mir ebenfalls sehr viel im Sinne, dass ich halt noch mehr Kinder erreichen kann, noch mehr Eltern und einfach, was mir so am Herzen liegt. Ich erlebe im Klassenzimmer auch wirklich, was gebraucht wird. Ich wünschte mir, dass ich noch Menschen mit diesen Inhalten erreichen kann! Und ich finde eigentlich die Synergien wunderschön, die ich aus der Klasse ins Coaching mitnehmen kann. In meiner Klasse ist das natürlich täglich auch erlebbar und spürbar.

Es geht mir ein Stück weit ähnlich. Ich unterrichte ja auch noch neben meiner selbstständigen Tätigkeit. Geht es dir auch so, dass es auch ein bisschen mehr Glaubwürdigkeit oder Authentizität verleiht, wenn du sagen kannst, ich weiss, wovon ich rede?

Also ich merke das vor allem in Schulen, wenn ich Workshops gebe. Die Lehrpersonen schätzen das enorm, dass ich wirklich aus der Schule komme, aus dem Klassenzimmer, und als Lehrperson vor ihnen stehe und ihnen alles zeige, was ich im Klassenzimmer ausprobiert habe. Es ist wissenschaftlich fundiert. Aber es ist auch praxisorientiert und von mir selber im Klassenzimmer erprobt. Es wird geschätzt, dass ich selber auch weiss, wie das ist, als Lehrperson an einer Weiterbildung zu sein und Ideen zu erhalten, die sofort im Klassenzimmer umsetzbar sind. Das ist ja das, was sich Lehrpersonen und Eltern wünschen.
Auch Kinder wünschen sich Skills, die sie im Schulalltag sofort umsetzen können. Das ist ja beim Lernen auch so, so wichtig.

Branka Rezan arbeitet mit ihren Schüler:innen am Mindset

Ich erlebe das oft, dass es so in, sag jetzt mal Dozentenkreisen, auch oft ein bisschen verschrien ist, Skills und Techniken so Betty Bossi-Kochbuch-mässig oder „mach so und dann so“ weiterzugeben. Aber ich glaube, das ist wirklich ein Bedürfnis oder vermittelt Sicherheit. So lernst du kochen und du kannst dann variieren.

Ich habe X Ausbildungen absolviert, und es ist alles wissenschaftlich fundiert und basiert auf wissenschaftlichen Studien. Diese kann ich alle belegen und zitiere sie immer wieder zitiere. Also, es ist wirklich das Beste aus Theorie und Praxis. Diese Verknüpfung soll auch stattfinden! Blosse Theorie, die nicht erprobt ist und dazu noch trocken vermittelt wird, ohne Beispiele, ohne Ideen, wie es sofort auch im Alltag umgesetzt werden kann – das bleibt einfach nur eine Theorie und kann genauso gut im Buch stehen bleiben.

Auf wen stützt du dich in deiner Theorie? Gibt es so ein, zwei Menschen, die deine Arbeit geprägt haben?

Ja, also die erste Person ist Carol Dweck. Sie ist eine Professorin in den Staaten und an der Denver University. Da kann ich vielleicht da ganz kurz ausholen: Sie hat mir dieses Puzzleteil gegeben, das mir gefehlt hat – als Mama, als Lehrerin, als Coach. Überall, wo ich irgendwie nicht weiter kam, was die Motivation betrifft und wie ich das Beste aus den Kindern rausholen kann. Und als ich auf Dwecks Arbeit gestossen bin, wusste ich, das ist das Teil, das mir fehlte! So habe ich alles gesucht, was ich finden konnte. Alles studiert, ihre Konzepte so verinnerlicht und begonnen, die auch zu leben. Wir haben auch Lehrmittel entwickelt, die ich im Klassenzimmer und auch in Coaching anwenden kann. Ich möchte Kindern wirklich dieses Konzept von Growth Mindset – das ist das Konzept, das Carol Dweck geprägt hat – weiterzugeben. Ich bin ihr und ihrer Forschungsarbeit unendlich dankbar, weil sie mich wirklich bereichert hat und mir so viele Impulse gegeben hat, wie ich das praktisch umsetzen kann. Wie ich genau das leben kann, was mir fehlte, bevor ich mit diesen Arbeiten in Kontakt kam. Das ist eben die Antriebskraft, die Motivation – und vor allem die intrinsische Motivation – und dieses Wachstumsdenken, das Beste aus den Kindern herauszuholen. Das hat mir wirklich diese wissenschaftliche Arbeit gegeben. Sie hat mich sehr, sehr bereichert.

Ja, ich denke, das dynamische Selbstbild im Unterschied zum statischen Selbstbild zu entwickeln ist wichtig. Also von „Ich bin dumm, ich kann das nicht.“ wegzukommen, hin zu „ich kann das noch nicht, aber ich werde es lernen.“ Das ist, glaube ich, wirklich die Kernaussage deiner Arbeit.

Absolut! Ich beginne ja jeden Workshop und jedes Gespräch mit Eltern damit, dass wir Vorbilder sein müssen für die Kinder. Wie können wir Kindern etwas beibringen, ohne dass selbst auch zu leben und zu verinnerlichen!? Das ist bei diesem dynamischen Denken genau gleich, es kann uns auch selbst so bereichern und stärken. Je dynamischer wir selber denken, desto eher können wir ja den Kindern das auch mitgeben. Auf diesem Konzept beruht eigentlich meine ganze Arbeit: mein ganzes Coaching und jedes Thema, das sich auch im Coaching übermittle oder trainiere. Dort spielt das Mindset eine grosse, grosse Rolle.

Branka Rezan liebt ihre Aufgaben als Lehrerin

Haben deine eigenen Kinder – du bist ja auch Mama – dieses grosse Mindset verinnerlicht?

Das ist ja ein Prozess. Es ist so, es gibt ein growth und ein fixed Mindset. Niemand hat entweder nur ein growth Mindset oder nur ein fixed, denn das ist gar nicht möglich. Wir alle haben von beiden. Wir alle haben meist einen schweren Rucksack, noch aus der eigenen Kindheit, der eigenen Erziehung und der eigenen Lernbiografie. Da steckt so viel drin, das kann man nicht einfach so verlieren. Viele von uns sind mit einer starren Denkweise, also mit einem fixed Mindset, aufgewachsen.
Dazu habe ich ein schönes Beispiel, das ich teilen kann: Meine Tochter hatte so einen Bilderrahmen aus der IKEA, den sie an die Wand hängen wollte. So mit Nägeln und Hammer. Und dann meinte sie: „Mama, komm, das machen wir! Ich kann es kaum erwarten, ich möchte das Bild aufhängen!“ Und ich meinte dann, also das kam einfach raus: „Weisst du was? Das kann ich nicht. Papa macht das für dich!“ Und dann dachte ich: „Das ist doch genau das, was ich nicht vermitteln möchte! Das ist doch genau diese starre Denkweise, die ich so vermeiden möchte!“ Und ich erwische mich immer wieder, dass so etwas passiert und denke auch: „Wenigstens habe ich mich erwischt.“ Meine Tochter meinte aber, nachdem ich das gesagt habe: „Sicher nicht! Das machen wir jetzt. Und jetzt holen wir einen Hammer und Nägel. Wenn es nicht gut ist, dann ist das auch egal.“ Und Ich dachte: „Okay, also all diese Jahre haben doch Spuren hinterlassen.“ Das merke ich immer wieder. Und ich denke, wir dürfen da auch nicht irgendwie zu streng mit uns sein, sondern halt auch dieses selbst Mitgefühl empfinden. Sagen, hey also, ich habe so einen vollen Rucksack mit Dingen, die mir gesagt wurden, als ich noch ein Kind war. Das kann ich nicht einfach so verlieren. Jetzt bin ich schon so lange auf diesem Weg und trotzdem ist das halt auch ein Bruchteil meines Lebens.

Wie bist du denn eigentlich auf deinen jetzigen Beruf, der vermutlich ja eigentlich Berufung ist, gekommen?

Ich wollte eigentlich immer Kindern Skills weitergeben und selber wachsen. Ich habe den Quereinstieg gemacht. Das ist nicht der Beruf, den ich seit meinem Studium verfolge. Es kam so die Zeit, da fühlte ich: „Okay, ich muss was ändern.“ Ich war in der Wirtschaft tätig viele Jahre zuvor, und ich habe einfach gespürt, ich muss der Gesellschaft, den Kindern der Welt, was zurückgeben. Und es wurde immer, immer stärker. Ich wusste, das ist nicht das, was ich mein Leben lang weitermachen möchte. Ich möchte was bewirken. Ich möchte Kinder erreichen. Ich möchte selber auch wachsen mit diesem neuen Wissen. Das war so der Punkt, an dem ich mich entschieden habe, den Quereinstieg zu machen. Das war vor mehr von 12 Jahren oder so, und ich habe es nie bereut. Es ist jetzt eine Berufung und das war so definitiv mein Weg!

So schön für alle Kinder, die von dir profitieren dürfen durch ihre Eltern oder Lehrpersonen! Welchen Glaubenssatz triffst du am meisten an bei Kindern?

„Ich kann das nicht.“ „Ich bin dumm.“ „Ich lerne das nie.“ „Ich bin nicht gut in Mathe.“ „Schreiben kann ich nicht.“ „Zeichnen ist nicht mein Ding.“

Das ja ganz viele, so sag ich jetzt, eingepflanzte Glaubenssätze, oder kommen die auch von innen heraus?

Ich glaube, die sind sehr eingepflanzt, die kommen definitiv von aussen. Die Schuldzuweisungen, das bringt gar nichts, die jetzt irgendwie zu suchen. Aber das sind so kleine Dinge, die da passieren. Das kann in einem Klassenverband sein: Das Kind in jungen Jahren streckt immer auf und möchte sich melden. In einer Situation meldet es sich und anderen Kreis lachen und finden den Beitrag so dumm oder blöd. Das kann starke Spuren hinterlassen. Solche Dinge passieren natürlich in der Schule. Es kann aber auch zu Hause passieren. Dinge werden gesagt, die nicht so gemeint sind. Aber sie hinterlassen Spuren und so werden diese Glaubenssätze gebildet Sie werden automatisiert, es wird vernetzt eingegraben im Gehirn und das braucht Zeit, die zu lösen. Eine ganz, ganz wichtige Arbeit, die Arbeit an den Glaubenssätzen

Du hast ja auch Kinder, die ins Einzelcoaching zu dir kommen. Sind das tendenziell mehr Mädchen oder Jungs?

Bei mir ist es jetzt wirklich ziemlich ausgeglichen. Ich habe im Coaching Kinder, Jugendliche, sogar junge Erwachsene und ich möchte dies sicher mal genau anschauen. Aber jetzt so aus dem Gefühl heraus, würde ich definitiv sagen, dass beide genau gleich vertreten sind. Bei den Eltern ist es anders…

Okay? Erzähl mal bitte..

Da kommen nur die Mamas, selten mal ein Papa in einem Kurs. Der ist meistens mit der Mama zusammen gekommen.

Worauf fühlst du das zurück?

Wahrscheinlich jetzt auch auf ein Klischee: Aber ich denke schon, dass diese Aufgabe der Mama überlassen wird. Dass sie sich darum zu kümmert, dass das Kind lernt und dass das Kind die Hausaufgaben macht. Vielleicht ist die Mama mehr als Papa zu Hause, arbeitet Teilzeit oder ist ganz daheim. Dann fühlt sie sich verantwortlich, das Kind mit den Hausaufgaben zu begleiten. Das merke ich auch in der Schule, welche Telefonnummer zuerst angegeben werden. Es ist immer die Nummer der Mama und dann kommt die Nummer des Papas – wenn überhaupt. Ja, das ist in unserer Gesellschaft immer noch sehr, sehr, sehr stark ausgeprägt.

Hast doch schon mit hochbegabten Kindern gearbeitet? Also Kinder, wo wirklich klar war, die vielleicht auch diagnostiziert waren?

Ja, im Coaching, aber auch in der Schule. Da habe ich einen Kurs für unsere Schule entwickelt, für eine Begabtenförderung, die es damals noch nicht gab. Vorallem dort habe ich Erfahrung mit begabten und hochbegabten Kindern machen dürfen. Ins Coaching kommen sie natürlich auch. Das sind dann sehr spannende Themen und auch sehr viele Glaubenssätze, die aufgelöst werden müssen.

Was denkst du, kannst du bei diesem Kindern einen Glaubenssatz ausmachen, der besonders verbreitet ist?

Oh, das ist eine gute Frage! Das ist ganz verschieden. Es kommen Kinder, die das Gefühl haben, dass sie nicht in die Gänge kommen, weil es einfach langweilig ist. Oft sind ja dann die Noten entsprechend. Oder die Eltern spüren, das Kind kann viel, viel mehr. Aber es zeigt es nicht.
Glaubenssätze, die ich dort spüre, sind vielleicht „die Lehrerin hat mich nicht gern“. „Alle sind gegen mich.“ „Sozial bin ich nicht eingebunden, ich kann keine Freundschaften schliessen.“ Das sind so Glaubenssätze, die ich dort spüre. Oder „die Schule ist nicht für mich“, „die Schule ist ein doofer Ort“. Aber ganz oft wird es nach aussen attribuiert. Das ist natürlich meine Arbeit: „Okay, bleibt bei dir. Schauen wir bei dir, was es braucht.“ Ganz oft sind es entweder bestimmte Fächer. Denn gibt es natürlich auch bei Hochbegabten Fächer, die nicht so gut laufen. Dann sind diejenigen Sündenbock oder jene Menschen, die von aussen kommen. Menschen, die etwas sagen, was ja auch Spuren hinterlässt.
Aber ja natürlich, auch da gibt es Glaubenssätze, die verankert sind und auch hier ist es ein Prozess, den wir auflösen.

Arbeitest du in konkreten Fällen auch systemisch, also mit Eltern, Lehrpersonen zusammen?

Es ist ganz wichtig, eine enge Beziehung zu den Eltern aufzubauen, weil das so stark miteinander zusammenhängt. Ich finde dieses „Schau, dass es meinem Kind wieder gut geht“ ohne auch selber als Mama oder Papa die Verantwortung wahrzunehmen, damit es dem Kind gut geht, ein No Go. Man muss dem Kind zeigen, dass alle im gleichen Boot sitzen. Alle arbeiten daran, dass es dir gut geht. Und zwar wir alle: die Lehrperson, die Mama, der Papa und ich komme jetzt dazu, damit das wirklich jetzt auch schneller geht oder damit es sich nicht in die in die Länge zieht.

Stellst du in dieser Arbeit Unterschiede fest zwischen hochbegabten und durchschnittlich begabten Kindern? Ich sage immer, hochbegabte Kinder sind in erster Linie Kinder mit einer hohen Begabung…

Also ich möchte das auch nicht so attribuiert haben. Aber Klischee ist ja, dass dann die Hochbegabten eher so kopfmäßig rangehen und die anderen vielleicht mehr emotional.

Stellst du da wirklich Unterschiede fest?

Ja, absolut! Die meisten Kinder kommen zu mir, weil sie sich entweder nicht konzentrieren können oder weil sie die Motivation verloren haben und einfach nicht mehr in die Schule möchten.
Das Erste, was wir machen müssen, ist Verständnis dafür aufbringen und zeigen. Ein Kind, das hochbegabt und in der Schule ständig unterfordert ist – da kann man sich doch vorstellen, dass die Motivation unmöglich bestehen bleibt. Deshalb habe ich auch eine Live-Coaching-Ausbildung, weil das so zusammenhängt. Es sind ja nie nur die Lerninhalte. Es sind ganz verschiedene Lebensbereiche, die da auch eine Rolle spiele. Meistens sind auch Lernstrategien und Prüfungsängste ein Thema, meistens aber sind es Konzentration oder Motivation. Bei hochbegabten Kindern ist es meistens die Motivation, diesen Flow, den wir allen Kindern wünschen. Flow heisst, bei einer Arbeit bleiben zu können. Es ist aber auch das grosse Mindset, das ins Spiel kommt. Das ist auch bei Hochbegabten sehr relevant, weil sie oft das Gefühl haben: „Ich kann das, ich bin intelligent, ich muss mich nicht mehr bemühen. Alles wird so zum Teil schludrig erledigt oder schnell, weil das ist eh zu leicht ist und dann da wirklich dranzubleiben und ein Wachstumsdenken anzustreben, ist schon sehr herausfordernd. Für sich selber einstehen und zu melden, wenn etwas zu leicht ist, das könenn viel Erwachsene nicht. Ich möchte diese Kinder so stärken, dass sie zu ihrer Lehrperson gehen können um das sagen. Das ist schon früh wichtig, denn diese Kinder gehen durch die Schulzeit, alles ist zu leicht und vielleicht kommen sie dann ins Gymnasium, wo im zweiten, dritten Jahr die Lernstrategien fehlen. Auf einmal sind sie in einer Situation, wo es dann wirklich schwieriger wird. Aber sie haben diese Skills zur Problembewältigung gar nicht aufbauen können. Das ist natürlich ein großes Thema auch bei hochbegabten Kindern im Coaching: Lernstrategien, Wachstumsdenken, Motivation, einfach dranbleiben und für sich einstehen: „Ich brauche Futter, ich brauche Schwierigeres.“

Branka Rezan

Perfektionismus kann natürlich auch ein Thema sein, dass man sich nicht an Dinge wagt. Ich erinnere mich an einen kleinen Jungen, der war vielleicht ungefähr dreieinhalb. Er wollte unbedingt ein Feuerwehrauto zeichnen. Während andere einfach so drauflos zeichneten, hat er nach zwei, drei Strichen entmutigt den Stift weggeworfen. Er hat gesagt, dass sein Feuerwehrauto ja dann sowieso nicht so wie ein Feuerwehrauto aussähe. Also mache er es gerade gar nicht.

Ja, erlebe ich immer wieder. Es tut mir immer so weh, wenn ein Kind von Perfektionismus geplagt wird! Da kommt auch dieses Wachstumsdenken wunderbar ins Spiel. Es ist einfach wirklich immer wichtig, darüber sprechen, wie toll es ist, auch Fehler zu machen, daraus zu lernen und dranzubleiben. Es gibt ja so viel tolle Biografien von Berühmtheiten, auch im Bilderbuchformat für kleinere Kinder. Diese dem Kind vorzulesen, ist so bereichernd, weil eine spannende Biografie nur spannend ist, wenn sie Niederlagen hbeinhaltet. Oder wenn sie darüber berichtet, wie diese berühmte Person die Niederlage erlebt hat und dann doch dran blieb, nicht aufgeben wollte und dann halt wieder zeigt, wie sie es irgendwie geschafft hat, weiterzumachen. Solche Geschichten sind unfassbar wertvoll für alle Kinder!

Ich denke, diese Kinder sind auch mit dem Perfektionismus geplagt und das wird natürlich auch weitergegeben. Jeder hat so seine Päckchen im Rucksack drinnen.

Deshalb sage ich immer: „Öffne deine eigenen Rucksack und beginne da auszupacken, weil es nicht leichter wird. Es wird es nicht, es nur kommt nur mehr rein! Es ist so wichtig, da mal reinzuschauen und Dinge auszupacken

Wieso ist es so wichtig, bereits mit Kindern am Mindset zu arbeiten?

Je früher wir beginnen, desto einfacher ist es für das Kind, dranzubleiben und mit Fehlern umzugehen. In der Schule wissen sie, dass es zwar schwierig sein kann, aber es ist nicht schlimm ist, wenn Fehler passieren. So werde ich resilient, so werde ich stark. Da kann ich an mir wachsen. Je früher wir das lernen, desto einfacher ist es, mit Herausforderungen umzugehen und desto resilienter werden Kinder bereits in den ersten Jahren. Ich glaube, das wünschen wir alle den Kindern.

Das ist was Wunderschönes. Ein wirklich starkes Stichwort! „Resilienz“. Wir haben so viele Kinder, wenn ich böse bin, rede ich von Projektkindern oder kleinen Prinzen und Prinzessinnen, die das nie erfahren durften.

Ja, man wünscht ihnen, dass sie irgendwann den Punkt kommen, wo sie es erfahren müssen, auch wenn es dann so wahnsinnig weh tut.

Das finde ich so schwierig, wenn wir wenn wir immer darüber sprechen, wie wir Kindern eine glückliche Kindheit wünschen.

Natürlich wünschen wir allen Kinder in eine glückliche Kindheit. Aber dieses Glücklichsein geht in eine Richtung, die fast keine Schwierigkeiten und Herausforderungen erlaubt, weil wir Kinder glücklich sehen möchten. Dass sie nicht irgendwie etwas Schlimmes erleben. Wir eilen hin, nein, wir helfen: „Komm, ich mach das für dich! Ich übernehme das.“
Es ist wirklich hilfreich, da anders zu denken! Was bedeutet Glück? Glück ist doch auch, bei etwas Schwierigem daran zu bleiben. Etwas bewältigen zu können und dann diesen Stolz zu empfinden, wenn man es allein geschafft hat. Für mich ist das auch Glück, und ich habe das Gefühl, dass Glück sehr oft falsch verstanden wird.

Ich finde, das geht wirklich oft vergessen!

In vielen Elternköpfen ist diese Blase, wo die Kinder drin sind und in dieser Bubble passiert nichts Böses oder Unfaires. Aber diese Dinge muss man aushalten lernen.
Ich weiß, wie das ist, wenn ein Kind leidet. Wenn das Kind etwas schwierig findet, möchte ich ja auch sofort hingehen und das lösen, damit mein Kind nicht weinen muss. Das ist wirklich, wirklich viel Arbeit an sich selbst!

Meinen älterer Sohn hat einmal gesagt: „Du hast mich nicht wie eine Mama erzogen sondern eher wie ein Coach!“ Im Moment habe ich leer geschluckt, habe dann natürlich auch nachgefragt und dann hat er wirklich gesagt: „Ja, du hast immer gesagt, schau selber. Ich bin da. Ich bin dein Netz und verdoppelter Boden, wenn es wirklich nicht klappt. Ich glaube, das kriegst du hin. Ich schaue mit dir, wie man es machen könnte, wenn du das brauchst.“ Es hat mir im Moment weh getan, weil ich habe mich ja schon bemüht, eine liebevolle Mama zu sein und ich dachte.“Coach?!“. Aber was er damit gemeint hat, hat mir eigentlich doch gefallen.

Ja, und du warst bestimmt eine liebevolle Mama! Aber ich denke, was du beschreibst, ist einfach der Grundsatz von Selbstwirksamkeit. Es war dir einfach wichtig, ihn deinem Kind mitzugeben. Nur schon die Präsenz und dieses Wissen „ich bin da, ich gehe nicht weg und du kannst mich irgendwie erreichen“. Ich sage den Kindern immer: „Ich kann dir doch das dieses Gefühl nicht stehlen, dieses Gefühl von Stolz, das du erlebst, wenn du etwas selbst erledigt hast. Das möchte ich dir nicht wegnehmen. Das genügt und dann denken sie: „Gut, das ist aber großzügig!“

Das ist ein wunderschöner Satz! Der ist mir damals nie in den Sinn gekommen…

Ist nicht das ist das schönste Gefühl überhaupt, Stolz zu erleben, etwas selbst gemacht zu haben? Deshalb frage ich auch eher, so als die Frage „bist du stolz auf mich?“ zu beantworten. Ich antworte jeweils in der Art „Ich bin sicher, du bist stolz auf dich, weil du so viel so Grund hast, es zu sein! Natürlich bin ich stolz, das kann ich auch sagen. Aber das ist Nebensache. Wichtig ist, was genau du fühlst!“

Danke vielmals, liebe Branka Rezan! Das ist ein wunderbarer Abschlusssatz! Auch ich finde, Stolz ist ein wunderbares Gefühl – und es ist ja in unserer Gesellschaft oft auch ein bisschen verpönt, stolz zu sein, weil das oft auch mit eingebildet verknüpft wird. Aber wenn man sich nicht entmutigen lässt, wenn es nicht geht… da so die Balance finden, das wäre eine gute Grundlage, oder?

Absolut, das ist die beste, die allerbeste Grundlage! Und ja, dieses Lächeln beim Kind zu sehen, wenn es stolz ist! Das möchten wir dem Kind ja nicht nehmen. Ich bin auch für Bescheidenheit, aber Stolz darf Platz haben und muss Platz haben.

Ich darf mich in den Schatten stellen oder darf eben stolz sein, auf das was ich kann. Das ist auch okay so. Sa könnten wir vielleicht eine „Scheibe Amerika“ abschneiden..

…eine dünne, ja (lacht!) 🤭.

Okay, eine dünne! Ich danke dir ganz, ganz herzlich für dieses Interview, liebe Branka!

Das Gespräch ist übrigens auch auf YouTube zu hören 😉

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