Blogqparadenbeitrag Dina

Wunschzettel an die Schule

Seit ich vor einigen Wochen die Blogparade Wunschzettel an die Schule initiiert haben, sind doch einige Beiträge hereingetrudelt. Das freut mich sehr! Noch häufiger ist es vorgekommen, dass Leute mir via DM auf Instagram Rückmeldungen gegeben haben, aber leider aus irgendwelchen Gründen keinen Artikel verfassen konnten. Auch für diese Rückmeldungen bin ich sehr dankbar, zeigen sie doch wirklich, dass es noch viel zu tun gibt.

Eine geballte Ladung mündlicher Rückmeldungen habe ich allerdings am letzten Wochenende in Zürich zu hören bekommen, als der Elternverein hochbegabter Kinder, sein Symposiumswochenende veranstaltete.

So denke ich, dass ich mal meine eigene Wunschliste verfassen sollte, bevor nächstes Wochenende meine Blogparade zu Ende geht.

Auf der Baustelle Schule wünsche ich mir primär Offenheit und Authentizität. Lass mich erklären, wie ich das meine:

Auf dem Wunschzettel zu oberst: Offenheit…

Ich finde es immer wieder erschreckend, wenn ich im Ausland sehe, wie Schulen aus Sicherheitsgründen eingezäunt werden und sogar noch Sicherheitspersonal postiert ist. Dieses Klima färbt doch auf alle Beteiligten ab! Genauso wenig förderlich sind geistige Gerüste und Mauern um unsere Schulhäuser. Häufig bestehen diese aus Ignoranz, Sturheit und Besserwisserei. Angst und Borniertheit sind ganz ausgezeichnete Kletterhilfen, um diese Gebilde zu erstellen.

…im Umgang miteinander

Immer wieder erlebe ich es, dass Eltern mir erzählen, dass sie der Schule nicht kommuniziert haben, dass ihr Kind hochbegabt ist. Solange das Kind im Unterricht keine Probleme hat, kann ich das noch so knapp nachvollziehen. Aber im Sinne der Transparenz ermutige ich Eltern, die Lehrpersonen antizipatorisch zu informieren und ins Boot zu holen. Wieso damit zuwarten, bis vielleicht Probleme entstehen? Mit gezielten Informationen aus dem familiären Umfeld, auch über Scheidungsabsichten, Tod eines geliebten Haustiers oder geplante Umzüge, kann der Lehrperson ermöglicht werden, das Kind besser zu verstehen.
In der letzten Klasse, die ich 1995 als Klassenlehrerin geführt habe, habe ich mit den Eltern eine Vereinbarung getroffen: Eine kleine Notiz im Sinne von „mein Kind braucht heute Rücksicht“ an mich reichte, wenn eine Nacht von Albträumen durchzogen war oder ein heftiger Streit an den Mauern des Vertrauens gerüttelt hat. Ich hatte dann ein besonderes Auge auf das Kind und konnte eventuelle auffällige Reaktionen besser auffangen und einordnen. Diese Möglichkeit wurde von Eltern und mir gleichermassen geschätzt.

…für neue Inhalte

Auf meinem Wunschzettel an die Schule würde ganz gross auch die Öffnung der Lerninhalte stehen. Nachdem ich gestern (4.11.22) in der Luzerner Zeitung ein Interview mit der neuen Leiterin der Abteilung Volksschulen Luzern gelesen habe, erst recht. Martina Kriegs Ausführungen lassen hoffen. Sie erwähnt explizit die Möglichkeit des personalisierten Lernens und wo immer möglich auch der personalisierten Beurteilung und die Förderung der überfachlichen Kompetenzen.
Es kann nicht sein, dass ein Erstklasskind, das vielleicht schon im Tausender rechnet, auf den 20er-Raum begrenzt wird! Genauso sinnlos ist es, in der 4. Klasse den Zahlenraum auf 100’000 zu erweitern, wenn das Grundprinzip des Hunderters nicht verstanden ist.

In meiner Nische als Fachfrau für Begabungs- und Begabtenförderlehrperson habe ich schon unzählige Haushaltsgeräte zerlegt, das Innenleben von Motoren angeschaut (da hatte ich jeweils Support von meinem Vater, dem als Mechaniker keine Schraube fremd war). Aber wieso sollten diese Inhalte nicht auch im Schulzimmer besprochen werden? Ich wünschte mir fliessendere Übergänge. Ganz generell und auf allen Ebenen: Inhaltlich, altersmässig und vom Differenzierungsgrad her.

Ein waschechter Dudelsackspieler ergänzt die Freiarbeit über Schottland

…für Inputs von aussen

Ich habe es schon oft erwähnt: Lernen findet nicht nur in der Schule statt. Wenn wir sehen, mit wie viel (Vor-)Wissen und Fähigkeiten die jungen Kinder in den Zyklus 1 eintreten, sollte dies allen Lehrkräften klar sein. Ebenso klar ist, dass man als Lehrperson nicht alles wissen kann und auch nicht muss. Die Illusion der absoluten Wissenshoheit ist mir fremd und ich freue mich über alle Anregungen, die von aussen an unsere Schule gelangen.
Es gehört zu den Type 1- Aktivitäten nach Renzulli, dass auch Fachleute von ausserhalb in die Schule eingeladen werden. Und ich finde es eine inspirierende Sache für die Lernenden wie auch für mich als Lehrperson, wenn neue Gedanken ins Schulleben einfliessen dürfen.

…in der räumlichen Gestaltung

Wer sagt denn, dass nur in Schulzimmern gelernt werden kann? Eigenen sich Schulgarten oder Pausenplatz, Bibliothek oder Schulhausgang je nach Projekt nicht auch wunderbar als Arbeitsorte? Bei Schulhaus-Um- oder -Neubauten ist unbedingt darauf zu achten, dass Räume die Schülerbedürfnisse erfüllen! Nicht umgekehrt, wie dies leider oft zu sehen ist. Ideen und Inspiration, wie dies aussehen könnte, kann man sich zum Beispiel bei Katharina Lenggenhagen holen:

Ebenfalls gross auf dem Wunschzettel geschrieben: Authentizität

Es ist mein oberstes Anliegen an alle an der Schule Beteiligten: Seid euch selber! Es bringt nichts, wenn ihr euch hinter Lehrplänen, Computern und überdimensionierten Kaffeetassen verschanzt. Es ist so wichtig, dass ihr euch selber bleibt: (An-)greifbar, echt und ehrlich.
Kinder brauchen reale Menschen mit all ihren „Special Effects“, an denen sie sich orientieren können und die auch als Vorbilder taugen.
Dazu gehört für mich auch, dass ich auch von Dingen aus meinem Privatleben erzähle, von denen ich denke, dass sie die Lernenden inspirieren können. Die Kinder sehen dann einerseits, dass ihre Lehrerin auch noch ein Leben ausserhalb des Schulhauses hat und andererseits werde ich als Person fassbarer. Das erleichtert es auch ihnen, über Erlebtes zu erzählen – und eben nicht nur Highlights, sondern auch Dämpfer, wie jener vom Papa, der das Besuchswochenende vergessen hat.

Fazit

Einige Punkte des Wunschzettels kann ich als Lehrperson gut selber abhaken. Manche schaffen wir im Team Teaching. Einige brauchen grössere Anstrengungen. Die Mühlen mahlen langsam. Wenn ich daran denke, dass ich 1995 als Vorstandsmitglied des Luzerner Lehrerverbandes die ersten Papiere zur Basisstufe gelesen habe und diese heute noch den Gemeinden bloss als mögliche Option angeboten werden, kräuseln sich mir die Nackenhaare. Veränderungen im Schulsystem brauchen Zeit und trotzdem gibt es auch öffentliche Schulen, die mir Hoffnung machen. Wir bleiben dran – in der Hoffnung, dass es eines Tages keine explizite Begabtenförderung mehr braucht, weil Stärkenorientierung und Durchlässigkeit so hoch sind, dass alle an den Inhalten, die sie interessieren, arbeiten dürfen!

Schlagwörter: Schule 

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