Keine Mädchenförderung für Molly Malone

Nachdem wir ja ein paar Tage durch Dublin geschlendert sind, schwirrt mir immer noch das Bild der Statue von Molly Malone im Kopf herum. Nicht nur, weil mein Partner nach dem Besuch bei ihr einen Misstritt von der Bordsteinkante fabriziert und dabei grosses Glück gehabt hat, dass er sich nicht ernsthaft verletzt hat, sondern auch, weil sie wohl ein typisches Mädchen aus dem Dublin des 18. Jahrhunderts war. Die Statue von Molly Malone zeigt eine junge Frau, die einen Holzkarren stösst. Sie ist mit ebenmässigen Gesichtszügen, einem prallen Busen und einem Ausschnitt, der selbst Madonna erröten lassen würde, ausgestattet. Es heisst, wenn man der Statue an den Busen fasse, bringe das Glück. Diese Tradition wird bis heute gepflegt, wie man an den von unzähligen Händen glänzend polierten Brüsten erkennen kann. Kein Wunder, wenn quasi alle Touristen, die sich mit ihr fotografieren lassen, auch an ihr Dekolleté fassen!

Molly Malone
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Mollys Denkmal

Das bronzene Denkmal, das Molly Malone zu Ehren an der Ecke Grafton Street/Suffolk Street errichtet wurde, gehört offenbar zu den Wahrzeichen der Stadt. Ich bin durchs Geocachen darauf gestossen, weil unter GC891AR ein Selfie mit der guten Dame verlangt wurde.

Die Statue wurde von Jeanne Rynhart erschaffen und 1987 zur 1.000-Jahr-Feier Dublins im Jahr 1988 aufgestellt. Die Figur wird von den Dublinern gerne scherzhaft als „Tart with the cart“ („Zuckerpuppe mit dem Karren“) oder „Dish with the fish“ („scharfe Braut mit dem Fisch“) oder „Dolly with the trolley“ („die Puppe mit der Karre“) bezeichnet. Andere Sprachen, andere Bilder könnte man sagen.

Molly Mallones Biografie

Wie immer, wenn es um Frauen aus vergangenen Zeiten geht, sind Fakten Mangelware. Molly Malone war, so sagt man, eine junge Fischhändlerin und eines der schönsten Mädchen im Dublin des 17. Jahrhunderts. Wir können davon ausgehen, dass Mollys Eltern ebenfalls Seafood verkauft hatten. Wie damals üblich, halfen unverheiratete Frauen im Familienbetrieb mit. Weil damals grosse Armut herrschte, kann man aufgrund der alten Liedtexte über sie davon ausgehen, dass die arme Molly wohl nicht nur Fische, sondern auch ihren Körper an die reichen Studenten des nahen Trinity Colleges verkaufte.

Aus dem bekannten Lied über Molly Malone lernen wir, dass die schöne Molly Malone früh an Fieber stirbt. War es ein gewöhnliches Fieber, wie es oft unter den armen Leuten grassierte? Oder war es doch Syphilis? Jedenfalls bildete sich im späten 20. Jahrhundert die Legende um die historische Molly, die so zur tragischen Heldin wird.

Molly Malone hat weltweit zahlreiche Fans. Einige sind felsenfest davon überzeugt, dass sich der Song auf eine echte Person bezieht. Deshalb haben sie sich durch Akten und Unterlagen gewühlt und tatsächlich eine Molly Malone aus Dublin ausfindig gemacht, die am 13. Juni 1699 ebenda starb. Na also: Das musste sie einfach sein. Egal, dass es wohl unzählige Molly Malones gab und vielleicht auch der Songschreiber einfach den Namen schön fand. Sogar die damaligen Offiziellen der Stadt Dublin liessen sich von der Begeisterung um eine echte Molly Malone anstecken – und machten kurzerhand aus dem 13. Juni den offiziellen Molly-Malone-Tag.

Die Ballade von Molly Malone

English: Cockles and Mussels – Celtic Aire – United States Air Force Band. Track 10 from As I Roved Out (2014).
https://www.music.af.mil/Multimedia/Music/Public-Domain-Music/

Das Lied wird 1883 das erste Mal in den USA veröffentlicht, man schreibt es dem schottischen Komponisten James Yorkston zu. Es ist also nicht einmal eine irische Ballade. Kein Wunder also, dass der Text so kurz ist. Der Song tauchte erstmals 1883 in den USA auf und wurde in Europa im Jahr 1884 zum ersten Mal erwähnt, als die Noten in London veröffentlicht wurden. Trotz fremder Wurzeln gilt die Ballade als inoffizielle Hymne von Dublin und es gibt wohl kaum einen Einwohner, der das Lied nicht singen könnte. Die bekannteste Version stammt wohl von den Dublinners. Ich persönlich mag auch jene von Patty Gurdy sehr gern.

Vielleicht hat sich Yorkstone bei seinem Lied auf einen irischen Folksong bezogen. Wahrscheinlicher ist aber, dass er ihn neu geschrieben hat, denn er passt vom Stil her genau ins Ende des 19. Jahrhunderts. Tatsächlich taucht eine Figur namens Molly Malone bereits in einem anderen Song von 1790 auf. Er ist Teil einer Liedersammlung namens Apollo‘s Medley und eindeutig zweideutiger. Wobei nicht wirklich klar wird, ob diese Molly tatsächlich als Prostituierte arbeitete, oder ob bloss des Songschreibers Fantasie mit ihm durchging. Anhänger und Fans von Molly bestreiten, dass sie eine Dirne gewesen sein soll, denn tiefe Ausschnitte seien zu der Zeit nichts Ungewöhnliches gewesen, da die Frauen ihre zahlreichen Kinder immer in der Öffentlichkeit gestillt hätten.

Eigentlich ist es auch vollkommen egal. Es spielt überhaupt keine Rolle, aus welchem Jahr ein Song ist, ob er wirklich irisch ist und worauf er beruht. Hauptsache ist doch, dass er die Zuhörerenden bewegt. Und das tut er: Molly Malone hat etwas ausgelöst und die Menschen berührt – heute wie damals.

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